Montag, 24. Juli 2023

Stromverbrauch am digitalen Zähler auslesen

Im Post "Solarzelle Ahoy! - Leistungsmessung beim Balkonkraftwerk" stellten sich mir die Fragen:

Wie viel Energie liefern mir die Zellen meines Balkonkraftwerkes?

Wie viel Energie davon nutze ich und wieviel verschenke ich ins Stromnetz?

Die letzte Frage kann der digitale Stromzähler liefern. Aber jedesmal zur Hauptverteilung laufen und ablesen ist mühsam und langweilig.

Zudem gibt es brauchbare Datenerfassungssystem im Umfeld von Home Automation, die man mit den Daten füttern kann und diese dann übersichtlich in Tages-, Wochen- und Monatsverläufen darstellen können. Achtung Spoiler: ein Post zum Thema Home Assistant folgt noch.

GEFAHR!

In der Unterverteilung bzw. im Zählerschrank besteht Gefahr durch Netzspannung von 230 V~ oder sogar 400 V~ an. Daher: keine Schutzverkleidungen abnehmen! Arbeiten in der Unterverteilung nur von Fachpersonal durchführen lassen. Elektrische Spannung ab 50 Volt Wechselspannung sowie ab 120 Volt Gleichspannung kann beim Menschen zu Verletzungen (z.B. Verbrennungen oder Herzkammerflimmern) und im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen. Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Stromunfall

Mein Zähler (Lepus 3.060 von Apator) besitzt wie die meisten Digitalzähler eine optische Schnittstelle (Infrarot), die das Auslesen der Daten ermöglicht. Damit alle Daten auslesbar sind, muss man sich beim Messstellenbetreiber die PIN des Zählers besorgen. Bei mir war das über die Hotline binnen Minuten erledigt.

 

Schnittstellenbeschreibung:

Datenübertragungsrate 9.600 Baud
Modus 8N1
Byteabstand im Telegramm < 2 ms
Protokoll SML + COSEM

 

Leseköpfe für die IR-Schnittstelle gibt es für unter 25 € inkl. magnetischem Gehäuse, aber ohne Kabel. Elektrisch werden die Leseköpfe über eine UART-Schnittstelle gekoppelt.

 

Das Auslesen, Verarbeiten und Übermitteln der Daten ins WLAN übernimmt wieder ein ESP8266 D1 mini. Dieser wir mit einer Firmware names Tasmota bespielt. 

Alle Infos zu Tasmota findet man unter:

https://tasmota.github.io/docs/

Leider unterstützt Tasmota aktuell nicht ohne weiteres Zutun das Auslesen der Zähler. Hierzu muss die Firmware konfiguriert und anschließend compiliert werden. Hört sich kompliziert an, ist es auch. Aber es gibt ein Video von haus-automatisierung.com, dass das Vorgehen nachvollziehbar erklärt:


Da nicht alle Zähler gleich sind, muss das im Video erwähnte Script für den Lepus 3.060 wie folgt aussehen:

>D  
>B
=>sensor53 r
>M 1
+1,3,s,0,9600,SML,1,1
1,77070100010800FF@1000,Zählerstand Total,kWh,Zählerstand_total_kwh,1
1,77070100020800ff@1000,Export (Total),kWh,export_total_kwh,1
1,770701000E0700FF@1,Netz Frequenz,Hz,Netz_Frequenz,1
1,77070100100700FF@1,aktuelle Wirkleistung,W,aktuelle_Wirkleistung,0
1,77070100240700FF@1,Wirkleistung L1,W,Wirkleistung_L1,0
1,77070100380700FF@1,Wirkleistung L2,W,Wirkleistung_L2,0
1,770701004C0700FF@1,Wirkleistung L3,W,Wirkleistung_L3,0

 

Nach Abschluss er "Firmware-Arbeiten" und dem Flashen auf den ESP8266, muss noch der Lesekopf mit dem ESP8266 verbunden werden. 

Da meine Unterverteilung in einem soliden Metallschrank untergebracht ist, der WLAN erfolgreich abschirmt, platziere ich den ESP8266 außerhalb des Schrankes. 

Als Kabel zum Lesekopf nutze ich ein altes Telefon-Anschlusskabel mit RJ45-Stecker. Der Stecker ist klein genug, um ihn durch eine Kabeltülle des Schaltschranks zu führen. Die vier Adern werden im Lesekopf angelötet. Ein Kabelbinder als Zugentlastung sollte ausreichen.

Eine 25 cm Netzwerk-Verlängerungskabel wird kurzerhand seines Steckers beraubt und mit dem ESP8266 verbunden.

Lesekopf <---> ESP8266 D1 mini

     VCC ----- 3V3

     GND ----- G

      RX ----- TX

      TX ----- RX

 

Zusätzlich erhält der ESP noch 2 Leitungen für die Stromversorgung, die er ebenfalls aus der Unterverteilung erhält.


Netzteil <---> ESP8266 D1 mini     

      +V ----- 5V

      -V ----- G 

Als Netzteil nutze ich ein Mean Well HDR-30-5.


Der ESP wird in einem kleinen Kunststoffgehäuse untergebracht.


 

Der Lesekopf wird auf dem Zählerinterface angebracht und die Zuleitung in der Unterverteilung durch eine Tülle im Schrankboden geführt.


Durch die gleiche Öffnung gelangen die Leitungen zur Spannungsversorgung des ESP in die Unterverteilung. Den ESP habe ich dann noch mit Kabelbinder unter der Unterverteilung fixiert.

Wenn alles ordnungsgemäß verdrahtet ist, der Lesekopf richtig auf dem Interface sitzt und die WLAN-Verbindung steht, kann Tasmota über die IP-Adresse des ESPs aufgerufen werden:


Durch Anpassen des oben gezeigten Scripts können noch weitere Werte, wie z.B. die Ströme und Spannungen pro Phase ausgelesen werden. Die fand ich jedoch für meine Zwecke uninteressant.

Meine Anfangsfrage, wieviel Energie ich vom Balkonkraftwerk nutze und wieviel ich verschenk, lässt sich nun beantworten.

Eingespeist habe ich, wie in Zeile 2 von Tasmota erkennbar: 31,1 kWh.

Zeitgleich hat mir das Balkonkraftwerk 304 kWh geliefert (Abfragbar über die AhoyDTU).

Ergo: Nutzen konnte ich 273,9 kWh bzw. rund 90% der erzeugten Energie.